Samstag, 18. Februar 2012

Wo ist das Geld?




Israels neuer Politstar Yair Lapid hat mit der öffentlich gestellten Frage „Wo ist das Geld?“ einen neuen Standard gesetzt. Ob er dafür je eine Antwort bekommen wird, steht in den Sternen. „Wo ist das Geld?“ greift das zentrale Problem israelischer Politik auf, nämlich wie kommt es, dass der reiche Staat Israel mit seiner blühenden und überdurchschnittlich wachsenden Wirtschaft kein Geld zu haben scheint, weder für sein Bildungssystem noch für Soziales (so lange es nicht selbstgewollte „Nöte“ der ultraorthodoxen Minderheit betrifft).

Yair Lapid, Sohn des leider Jahrzehnte zu früh verstorbenen Haredenkritikers Tommy Lapid, s.A., versucht damit das politische Interesse der Israelis dorthin zu lenken, wo er das Hauptproblem unseres Staates sieht – in der obszönen und skandalösen Verteilung der Steuergelder im Staate der Juden.

Budgets für Armee, Bildung und Gesundheitswesen
Israels Budget für 2012 für die Landesverteidigung beträgt 50,637 Milliarden NIS. Für die Bildung (Schulen und Hochschulen) ist 43,463 Milliarden NIS vorgesehen. Das Gesundheitsministerium verfügt dieses Jahr über 20,6 Milliarden NIS.

Verteidigungsbudget 2012
Ob sich die Armee damit zufrieden geben wird, glaube ich nicht. Die Ausbildung leidet, und das bisher augenfällig erfolgreiche „Iron Dome“ Raketenabwehrsystem kann aus Geldmangel nicht mehr weitergebaut werden – es sieht nicht gut aus. Es kann sein, dass die geldhungrigen Militärs hier übertreiben, doch muss aufgepasst werden, dass es nicht wieder zu militärischen Mangelerscheinungen kommt, die 2008 zum Misserfolg des zweiten Libanonkrieges geführt haben.

Schulen und Hochschulen
Öffentliche Grundschulen haben sehr viel ihres früheren hohen Niveaus verloren, die Hochschulen ebenso. Wissenschaftler wandern ab nach Amerika und Europa. Irgendwann wird der Tag kommen, da der heute hohe wissenschaftliche Stand an Universitäten und auch in der Wirtschaft nicht mehr gehalten werden kann, weil kommende Generationen den schulischen und wissenschaftlichen Anschluss zur entwickelten Welt verpasst haben.

Gesundheitswesen
Israel Gesundheitssystem ist der Stolz der Nation und verdient es auch so genannt zu werden. Doch in Israels Spitälern fehlt es überall. Es fehlen Betten, Ärzte, Pflegepersonal. Dieser Tage gibt es viele Spitäler, in denen Abteilungen bis zu 180 Prozent überbelegt sind. Patienten bleiben oft Tage in der Notaufnahme, weil es in den Abteilungen keinen Platz für sie gibt – sogar die Gänge sind mit Betten vollgestopft. Der sogenannte Gesundheitskorb (health basket) ist viel zu klein und verfügt über ein Budget von 6,7 Milliarden NIS, was sehr viel zu sein scheint, aber doch nicht reicht. Es gibt es sogar Krebskranke, die ihre Medikamente aus eigener Tasche bezahlen, weil das Geld nicht reichte, sie in den Korb zu tun. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass dies Kosten von monatlich über 10'000 Schekel bedeuten kann – welcher Normalverbraucher kann sich das leisten?

Bildung, Landesverteidigung und Gesundheit sind nur drei Beispiele einer Budgetpolitik, die von völlig falschen Prioritäten geleitet werden. Denn die Prioritäten sind weniger die Interessen der Bürger als der politische Eigennutz der damit betrauten Politiker. Welche Prioritäten sind damit gemeint?

Also, wo ist das Geld?
Ein offizielles Regierungsbudget gibt es weder für Kosten der Westbanksiedlungen, deren Ausbau, Sicherheit, Wasser und andere Infrastrukturen. Ebenso wenig gibt es ein Budget für die Sonderaufwendungen für die Welt der Ultraorthodoxen (Haredim), deren Schulen, Yeshivas, deren immense Sozialkosten etc. Kosten für beides haben in verschiedenen Budgetposten Unterschlupf gefunden, wie für Landwirtschaft, Wohnungsbau, Bildung, Gesundheit, Haus- und Strassenbau, Transport, Wasser oder Tourismus. Mit anderen Worten: der israelische Steuerzahler wird betrogen, dass es nur so kracht. Und genau diese Gelder sind es, nach denen Yair Lapid fragt und bis heute noch keine Antwort erhalten hat.

Es sind nicht nur diese Gelder, die dem Staat fehlen. Immerhin zahlen Westbanksiedler Steuern, arbeiten und tragen für den Staat etwas bei, wenn auch nicht immer ganz Wünschenswertes. Doch bei der Welt der Haredim sieht es anders aus. Zwar gibt es einige hundert ultrafromme Soldaten, die unbehelligt von weiblichen Formen, Stimmen und Düften in einem separaten Batallion zusammengefasst sind. Es gibt heute sogar ultraorthodoxe Studenten für beruflich verwertbare Tätigkeiten, doch unter dem Strich tragen die Haredim nichts für das Land bei, sondern profitieren von Sondergesetzen und teilweise besonders für sie geschaffenen, sozialen Leistungen. Nicht nur befindet sich Israel mit rund 50 Prozent Anteil Nichtarbeitender unter der arbeitsfähigen Bevölkerung abgehängt am Ende dieser Statistik der Industrieländer. Zwar gehören auch arabische Bürger in diese Kategorie, doch mehrheitlich kaum freiwillig, sondern aus Gründen, die ich ein anderes Mal besprechen werde.


Die Regierung hat Geld, doch dessen Verteilung hinkt gewaltig. Die Wirtschaft blüht, die Steuern sprudeln, und Yair Lapid stellt die einzig richtige Frage: „Wo, zum Teufel, ist das Geld?“ Ohne riesigen Aufwand ist es, wenn überhaupt, unmöglich, zivile nicht auf die reine militärische Besatzung und Sicherheit der Westbank bezogenen Kosten und an die quasi unter dem Tisch bezahlten Unterhaltskosten der Hareden auch nur annähernd zu bezeichnen. Ohne mich festlegen zu wollen: ich las verschiedentlich in der Presse, dass diese Kosten dieser aus koalitionspolitischen Gründen veruntreuten Steuergelder die Höhe des israelischen Verteidigungsbudgets erreicht hätten. Das sind die Gelder, nach denen Yair Lapid fragt. Jeder Schekel ist einer zu viel.

Keine Kommentare: